Der Film Der Gott des Gemetzels von Roman Polański ist für mich einer der wunderbarsten Filme der letzten Jahre. Und was läge da näher für einen Bücherblog, als das zugrundeliegende Theaterstück zu lesen. Yasmina Reza gilt als eine der meistgespielten Theaterautorinnen der Gegenwart. Und Der Gott des Gemetzels zeigt eindrücklich warum.
Zwei elfjährige Schüler geraten aneinander. Dabei schlägt der eine mit einem Ast dem anderen zwei Schneidezähne aus. Grund genug, dass sich die Eltern einmal kurz zusammensetzen, um über das Geschehen zu diskutieren. Schließlich ist man zivilisiert und geradezu weltmännisch.
Das Theaterstück spielt in Paris während der Film den Ort, ganz dem US-amerikanischen Selbstverständnis entsprechend, nach New York verlegt. Es ist ein Kammerstück, welches sich ausschließlich in der Wohnung des einen Elternpaares abspielt. Wie es sich im Klein- und Bildungsbürgertum geziemt, versuchen die Eltern freundschaftlich oder zumindest generös mit der Situation umzugehen. Doch die biedere Anscheinswelt zerfällt nach und nach in seine Einzelteile und zum Vorschein kommen Bigotterie, zerrüttete Verhältnisse, zerstörte Träume und gescheiterte Lebenswege.
Yasmin Reza zeichnet vier Persönlichkeiten, die allein durch ihre Gesprächsführung eine psychologische Tiefe erreichen, die das Schauspiel außergewöhnlich und außergewöhnlich genial machen. Sei es die erfolgreiche und taffe Vermögensberaterin, die am Zynismus und der Gefühlskälte des Ehemannes leidet, der als Top-Anwalt für Pharmakonzerne arbeitet. Oder sei es der Eisenwarengroßhändler, der sich im unspektakulären Alltag eingerichtet hat und an den Ansprüchen seiner sozialkritischen Frau, die sich als Schriftstellerin den großen Themen der Gegenwart widmet, scheitert und verzweifelt.
Der Gott des Gemetzels ist eine kurzweilige, äußerst unterhaltsame und einfach nur grandiose Charakter- und Gesellschaftsstudie. Die Sprache, die Ideen, die gegenseitige Eskalation des Treffens, das Aufbrechen des Verdeckten, das stumme Schreien, das sich im Schauspiel seinen Weg bahnt, ist an Präzision kaum zu überbieten. Absolute Pflichtlektüre.
Mehr Informationen gibt es direkt beim Libelle Verlag.
»Der Gott des Gemetzels«
Yasmina Reza
Schauspiel. Gebunden mit Fotos aus der Zürcher Uraufführung.
Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henke
96 Seiten
Verlag: Libelle
Preis: Euro 14,90
ISBN: 978-3-905707-15-1
Das klingt echt toll. Ich glaube, die Verfilmung werde ich mir mal anschauen. Danke für die Rezension 🙂