Science Fiction:
John Christopher
Preis:
20 €

Rezension von:
Bewertung:
5
15. März 2017
Letzte Änderung:18. November 2017

Klassiker und Evergreen der Science Fiction Literatur

Tripods. Die dreibeinigen Herrscher

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber es gab mal gutes Fernsehen für Jugendliche. In den 80er Jahren gab es im ZDF nicht nur die Miniserien-Klassiker in der Vorweihnachtszeit (Silas, Jack Holborn, Patrik Pacard, Anna usw.), sondern auch zwei Miniserien, die Romane von John Christopher für das Fernsehen adaptierten: The Guardians – Die Wächter (dazu in den kommenden Wochen mehr) und Tripods – Die dreibeinigen Herrscher. Beides sind dystopische Science Fiction Romane mit einer teils mittelalterlichen Welt. Eine so naheliegende wie gelungene Verbindung, wenn man Abenteuerromane für Jugendliche schreibt. Eine besondere Betonung liegt hier aber auf dystopisch. In beiden Romanen wird die totale Überwachung und Kontrolle auf sehr unterschiedliche Weise thematisiert. Auch deshalb sind die Romane gerade heute unbedingt empfehlenswert. Nicht nur für Jugendliche.

Die 80er Jahre waren geprägt von wirtschaftlichem Niedergang und vor allem einer Eskalation des kalten Krieges bis fast zum Atomkrieg. Zumindest war die gesellschaftliche Stimmung so, dass viele Menschen jederzeit mit dem Ende der Welt rechneten. Und wenn es auch kein Krieg war, so explodierte 1986 das Atomkraftwerk von Tschernobyl. Jugendbücher, die die nukleare Verseuchung thematisierten, stritten sich im Regal um die besten Plätze. Die Bekanntesten sind sicherlich die von Gudrun Pausewang. Die Zeit schien jedenfalls reif, für düstere Zukunftsszenarien. Und so verfilmte die BBC den JugendbuchklassikerTripods von John Christopher. Man möchte meinen, dass solch eine Serie heutzutage nicht mehr produziert werden würde, zumal in England, wo die Kameraüberwachung und die soziale Kontrolle Orwellsche Ausmaße angenommen hat.

Um die Serie entwickelte sich relativ schnell ein ziemlicher Kult, gab es doch nichts Vergleichbares damals für Jugendliche zu sehen. Hauptgrund war die fesselnde Story, die alles beinhaltet was ein gutes Jugendbuch ausmacht: Identitätsfindung, ein Quasi-Roadtrip durch mehrere Länder, Freundschaft, Abenteuer, Gefahren, Ritter, Außerirdische, ein Genremix, der kaum etwas auslässt – inklusive der ersten Liebe. Allerdings, dass muss man wohl sagen, ist es schon eher ein Jungenroman. Mädchen sind nur Staffage. Soweit war die BBC in den 80ern noch nicht und John Christopher, eigentlich Christopher Samuel Youd, schrieb das Original bereits 1967 – was keine Rechtfertigung sein soll, sondern eine mögliche Erklärung ist. Selbstverständlich können auch Mädchen und Frauen Gefallen an der Geschichte finden. Gleichwohl fehlt es an einer weiblichen Identifikationsfigur.

Tausende Jugendliche standen mit den drei Hauptfiguren Will, Henry und Jean-Paul Abenteuer und Gefahren durch und warteten Woche für Woche gespannt darauf wie es mit den dreibeinigen Herrschern weitergehen würde. Nur um dann festzustellen, dass das die Fernsehzuschauer nie erfahren würden. Die zweite Staffel endete und nichts war geklärt. Der BBC waren die Produktionskosten zu teuer geworden und so wurde der dritte Teil der Trilogie nie verfilmt. Freilich wusste man das als Jugendlicher gar nicht. Man stand wie der sprichwörtlich Ochs vorm Berg. Eine der fesselndsten Serien hatte kein richtiges Ende. Wer macht denn sowas?

Jahre später, vielleicht sogar erst mit der Verbreitung des Internets stellte ich dann jedenfalls fest, dass John Christopher doch tatsächlich drei Romane geschrieben hatte. Drei! Die Geschichte ging also tatsächlich weiter. Also kaufte ich mir eine Ausgabe aus dem Arena-Verlag und konnte endlich erfahren wie der Kampf der Menschheit gegen die außerirdischen Invasoren weiterging. Wiederum einige Jahre später überfiel mich dann die Nostalgiewelle und ich besorgte mir auch noch die DVD-Box der Serie. Dazu muss man allerdings schon ein klein wenig nerdig sein und mit der Serie aufgewachsen sein. Denn für heutige Sehgewohnheiten ist die Serie natürlich nichts mehr. Ob sich noch Jugendliche davon fesseln ließen, mag ich auch bezweifeln. Mir hat es jedenfalls eine Reise in meine Kindheit/Jugend verschafft und ich kann mich für die Serie durchaus immer wieder begeistern. Und immer wenn Gespräche auf gute Serien oder gute Science Fiction Bücher für Jugendliche kommen, lande ich auch bei John Christopher.

Und plötzlich musste ich feststellen, dass der doch tatsächlich zwanzig Jahre nachdem er die Trilogie geschrieben hatte, noch einen vierten Band verfasst hat. Vermutlich inspiriert durch Kritiken im Zuge der BBC Serie – so zumindest die Urban Legend. Der vierte Band versucht dann auch einige Fragen zu beantworten, die sich mit der Invasion der dreibeinigen Herrscher beschäftigen. Allerdings gab es diesen vierten Band oder den Band 0, also das Prequel, lange Zeit nicht auf Deutsch. Das hat sich mittlerweile geändert und Piper bietet nun einen Sammelband mit allen vier Büchern an. Und zwar in der gelungenen Reihenfolge Band 1-3 und erst nachgereicht Band 0, so wie sie also auch original veröffentlicht wurden.

Die Welt der Kriege

Zu den ersten drei Bänden möchte ich inhaltlich gar nicht viel sagen. Einerseits weil die Geschichte bereits so bekannt ist und zweitens weil es bereits unzählige Rezensionen gibt, die sich mit dem Inhalt ausgiebig auseinandersetzen. Hier soll das Worldbuilding bzw. das Framing reichen. Die Welt ist von außerirdischen Invasoren vor langer Zeit besetzt worden. Die Menschheit hat den Kampf um die Erde offensichtlich verloren und ist erheblich dezimiert worden. Die Überlebenden leben in dörflichen Strukturen auf dem Niveau des späten Mittelalters. Lediglich einige Überbleibsel aus der alten Zeit existieren ab und an noch. Allerdings wissen die Menschen damit auch nicht unbedingt etwas anzufangen. Das Wissen ist schlichtweg verloren gegangen. Die dreibeinigen Herrscher, Tripoden, die stark an die Invasoren aus H. G. Wells „Krieg der Welten“ erinnern, haben die Überlebenden versklavt. Mit dem 14. Lebensjahr werden alle Menschen „geweiht“. Eine Prozedur bei der eine Metallplatte in die Kopfhaute implantiert wird.

Diese „Kappe“ unterdrückt die meisten Emotionen, so dass keine besonderen Gefühlsäußerungen möglich sind. Innovation und Kreativität aber auch Gewalt und Revolution werden so verunmöglicht. Eine Welt auf Prozac. Wir begleiten die Cousins Will und Henry auf ihrer Flucht vor der Weihe. Angeblich soll es irgendwo freie Menschen geben. Der Auftakt zu einem fantastischen Abenteuer bei dem kaum etwas ausgelassen wird. Ein Spannungsbogen, der für Jugendliteratur seines gleichen sucht. Allerdings sticht hier der erste Band meines Erachtens heraus. Die Gegenüberstellung der mittelalterlichen Lebenswelt und der futuristischen Invasoren mit dem gleichzeitigen Wissen um die untergegangene Zivilisation der Menschheit sind besonders atemraubend. Dieses Niveau können Band zwei und drei nicht halten. Was in der Gesamtschau aber nicht wirklich schadet, bieten Band zwei und drei doch ganz eigene Spannungsschwerpunkte. Geht es doch um nicht weniger als den Freiheitskampf der Menschheit. Und was könnte die Menschheit besser als Kriege.

Der nachgereichte Band, der die Invasion beschreibt, ist allerdings eher enttäuschend. Es hatte ja durchaus Sinn und Charme die Bände zu beginnen, als die Invasion bereits beendet war und die Menschheit seit Jahrzehnten unterjocht wurde. Genau das machte ja einen Großteil der Spannung aus. Man wusste nicht wie es passiert war, sondern nur was passiert war. Das Unerklärliche oder auch Unverständliche ist ein Mittel des Spannungsaufbaus. Genau das wird mit dem vierten Band zunichte gemacht. Zumal die Erklärungen jetzt auch nicht viel besser sind, als all das, was man sich selbst hätte überlegen können. Um nicht zu viel zu verraten, läuft es letztlich auf eine Art Massenhypnose mittels Fernsehen, also dem Massenmedium schlechthin, hinaus. So werden zwar vermeintliche Fragen beantwortet, es entstehen aber nicht gerade geringe Logiklöcher, über die einfach hinweggegangen wird. Das macht es nicht unbedingt besser. Dafür wird dann aber auch der Hintergrund der freien Menschen erklärt. Das hat doch auch was. Und letztlich ist die Beschreibung der Massenhysterie bzw. Massenhypnose eine recht gute Beschreibung der Wirkungsweise von Ideologien. Ebenso wie heute einige „Erwachte“ herumrennen und die anderen als „Schlafschafe“ bezeichnen, gibt es auch bei Christopher quasi die erwachten Tripod-Anhänger und die die vermeintlich nicht erkennen wollen, dass die dreibeinigen Herrscher, Frieden, Freiheit und Wohlstand bringen. Insofern sind die Erklärungen in Band 0 zwar enttäuschend, die Geschichte an sich aber durchaus lesenswert.

Sprache und Stil von John Christopher sind eindeutig an ein jugendliches Publikum gerichtet. Man sollte hier keine große Literatur erwarten. Mir ist die Sprache häufig zu einfach, da hat sich wohl in den letzten Jahrzehnten so einiges geändert. Joan K. Rowling verwendet eine weitaus komplexere Sprache. Und die Zielgruppe dürfte ein ähnliches Alter aufweisen. Ansonsten ist „Die komplette Saga“ von Piper eine Verschenkempfehlung für ältere Kinder und Jugendliche in der Familie. Mir machen die Tripods jedenfalls immer noch Spaß. Und angesichts der einfachen Sprache lassen sich die 736 Seiten auch ziemlich zügig lesen.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe direkt bei Piper.

 

John Christopher
Tripods. Die dreibeinigen Herrscher
Übersetzt von: Wolfgang Schaller
Erschienen am 01.04.2016
Klappenbroschur
736 Seiten
Verlag: Piper
€ 20,00
ISBN: 978-3-492-70349-9

Und für Cineasten unbedingt empfehlenswert die Fernsehserie Tripods. (Amazon Link)