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Tue nichts und werde glücklich

Manchmal hat man Glück und manchmal hat man Pech, wenn man sich vorher nicht genau mit den zu lesenden Büchern beschäftigt. Mit Thomas Hohensees Tue nichts und werde glücklich, wäre ich glücklicher geworden, hätte ich nichts getan, vor allem nicht das Buch gelesen. Das liegt nur zu einem Teil an Hohensee. Vor allem liegt es an enttäuschten Erwartungen und am vermeintlichen Etikettenschwindel. „Tue nichts“ erinnert doch sehr an das daoistische Wuwei – das Nichtstun, Nichthandeln. Und damit hat das Ganze schon mal rein gar nichts zu tun. Na gut, dafür kann der „Erfolgsautor“ ja nichts. Der Etikettenschwindel findet auch woanders statt. Denn im Wesentlichen ist es kein Ratgeber zum glücklich werden oder zum Minimalismus, wie man aus der Ankündigung schließen könnte („Er zeigt, weniger ist mehr: Das gilt auch, wenn wir uns für den leichteren Weg zum Glück entscheiden und unserer inneren Stimme vertrauen.“). Im Kern handelt es sich um ein Werbebuch (böswilliger könnte man auch von einer literarischen Kaffeefahrt sprechen) für die Kognitive Verhaltenstherapie.

Nun mag dem ein oder anderen diese Therapie zusprechen, aber dann bitte nennt dieses Buch auch entsprechend, zumindest beschreibt es richtig. Denn ich möchte keine Bücher über Verhaltenstherapie lesen und für mein Wohlbefinden wäre es auch besser gewesen, ich hätte dieses Buch vom Vielschreiber Hohensee ignoriert. Hartes Urteil? Mitnichten. Thomas Hohensee, studierter Jurist, hat eine Weiterbildung in Kognitiver Verhaltenstherapie absolviert und dort offensichtlich seine persönliche Erleuchtungserfahrung gemacht. Seitdem beschäftigt er sich mit der Frage: „Wie können wir, auf entspannte Weise, ein glückliches, erfülltes Leben führen?“ (So zumindest der offensichtlich selbst erstellte Wikipedia-Artikel über Hohensee.) Die Frage ist natürlich sehr schön und die Intention von Hohensee auch sehr lobenswert. Auch die ersten Seiten lesen sich ausgezeichnet. Aber das war es dann auch schon.

Terrible Simplificateur

Man kann die Absurditäten, Übertreibungen und Simplifizierungen gar nicht alle aufzählen. Klar, es ist ein Ratgeber und kein wissenschaftliches Werk. Aber die Grundaussage des Buches hätte auf fünf Seiten Platz gehabt, der Rest sind teils hanebüchene Behauptungen zum Wesen des Menschen, anekdotische Evidenz oder einfach Füllgeschichten. Entgegen jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis ist die zigfach wiederholte Grundthese des Buches (wohl all seiner über 20 Bücher):

Kein einziges Gefühl entsteht ohne einen Gedanken. Ist das neu? Nein, das ist so, seit es Menschen gibt. Wir funktionieren auf diese Weise. Es entspricht unserer inneren Natur. Trotzdem ist diese Erkenntnis bislang erst einem kleinen Teil der Menschheit bewusst geworden.
Sämtliche deiner Emotionen erschaffst du selbst.

Uff. Zum Glück sind aber einige Erleuchtet und teilen uns diese bahnbrechende Erkenntnis mit. Wenn Hohensee wenigstens zwischen Affekt, Gefühl und Emotion unterscheiden würde, dann könnte man mit etwas gutem Willen noch Tatsachen erkennen. Aber so bleibt es eine haltlose Behauptung, die er auch noch mit der unhinterfragbaren Autorität der Natur, so ist das eben, verklärt. Und wie ist das eigentlich mit Grundgefühlen? Also den angeborenen Gefühlen? Oder mit Gefühlen, die Gedanken erschaffen. Man frage mal Kreativschaffende. Oder man schaut einfach in die wissenschaftliche Literatur der Neurowissenschaften, die Hohensee ebenso wie alle anderen Wissenschaften von der Psyche des Menschen abkanzelt, dort findet man dann z.B. bei Antonio Damasio, dass es keinen einzigen Gedanken ohne Gefühl gibt. Bei Damasio könnte Hohensee dann auch mal nachlesen, was es mit dem Homonculus auf sich hat. Denn diese Problematik wirft er auf, wenn er in einer undifferenzierten Weise vom Ego spricht.

Hohensee möchte ja was ganz Richtiges, er möchte aufzeigen, dass das Gedankenkarussel krank machen kann und dass es Gedanken gibt, die Gefühle hervorrufen. Warum er dabei aber in Absolutismen und Superlative verfällt, weiß er nur selbst. Wenn seine Behauptungen nicht so ärgerlich falsch und ignorant wären, könnte es einem auch egal sein. Aber seine schon penetranten Behauptungen nur die Kognitive Verhaltenstherapie sei wissenschaftlich belegt und das Bewusstsein bestimme das Sein – ausschließlich – sind unredlich. Die „Umstände“ spielen nach Hohensee keine Rolle. Demnach sollten wir dringlichst Soziologie und Sozialpsychologie abschaffen, beschäftigen diese sich doch mit den Umständen, die die menschliche Psyche, das Empfinden und Verhalten prägen. So kann man sich irren.

Missionarischer Eifer

Hohensees Tue nichts und werde glücklich ist der wesentlich schlichtere kleine Bruder von Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein. Während letzteres ein Meisterwerk der Populärpsychologie ist, ist ersteres ein mehrfach ins esoterisch rutschender Ratgeber. Und da es sehr sehr viele Ratgeber gibt, kann man sich diesen auch ersparen. Wie gesagt, es sei denn man hat ein Faible für die Kognitive Verhaltenstherapie, dann wird man hier eine wunderschöne Selbstbestätigung bekommen, ganz im Sinne des Autors: das Denken bestimmt die Gefühle. Man muss sich nur ausreichend von der Realität abschirmen, dann wird das schon.

Es ließe sich noch viel über die aufgestellten Behauptungen schreiben. Über das geradezu infantile Ablehnen der Psychoanalyse, das Abwerten anderer Denkkollektive, die Selbstbeweihräucherung, die geradezu fahrlässigen Ausführungen zu Sport und Depression, den absurden Thesen zu Krankheit (man fängt sich eine schwere Erkältung ein, als Zeichen sich mal einige Tage Ruhe zu gönnen) oder den selbst erzeugten Widersprüchen:

Wenn du dich gut fühlst, spricht deine innere Weisheit. Denn deine Gefühle sind dein Kompass. Sie zeigen dir, ob du entsprechend deiner Weisheit denkst und handelst oder nicht.

Ja aber, wenn doch meine Gedanken, meine Gefühle erzeugen, wie sollen dann meine Gefühle anzeigen, dass meine Gedanken richtig sind, sind sie doch das Ergebnis derselben. Oder anders ausgedrückt, ein Kompass der immer dahin zeigt, was ich mir wünsche, kann nicht der Anzeiger dafür sein, wohin es richtigerweise geht.

Aber um es noch zu toppen, hier die ultimative Weisheit:

Wie findest du den richtigen Beruf?
Folge deiner inneren Weisheit und deinem Glücksgefühl.

Wie findest du die richtige PartnerIn?
Folge deiner inneren Weisheit und deinem Glücksgefühl.

Was musst du jetzt nur noch tun?
Folge deiner inneren Weisheit und deinem Glücksgefühl.

Ich ergänze: Wie findest du das richtige Buch?
Folge deiner inneren Weisheit und deinem Glücksgefühl.

Hätte ich mal darauf gehört. Aber wie heißt es so schön im Buddhismus. Es ist ein Übungsweg. Wir lernen aus unseren Fehlern.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei Kösel.

 

Tue nichts und werde glücklich. Drei Prinzipien für ein gutes Leben. Book Cover Tue nichts und werde glücklich. Drei Prinzipien für ein gutes Leben.
Thomas Hohensee
Ratgeber
Kösel
2. März 2020
Taschenbuch. Klappenbroschur
160
https://www.randomhouse.de/Paperback/Tue-nichts-und-werde-gluecklich/Thomas-Hohensee/Koesel/e568533.rhd
16,- €
978-3-466-34752-0

Hätte ich mal den Rat befolgt und nichts getan, also vor allem nicht das Buch gelesen.