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Strix

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das muss nicht nur Svend Fleurons tierische Protagonistin die Eule Strix erfahren, vor allem die Leser*innen müssen sich durch allerlei Dunkelheit geradezu durchkämpfen. Fast so wie „eine der letzten ihrer Art“, die Horneule in den schwindenden Naturwäldern Dänemarks. Dabei scheint „Kämpfen“ die zentrale Faszination des Autors gewesen zu sein. Zwar gibt es einerseits wunderschöne präzise Naturbeschreibungen, aber andererseits liegt der Fokus deutlich auf dem Überlebenskampf von Strix. Allerdings nicht als notwendiges Übel oder leidlichen Zwang, sondern mit einer eindeutigen Begeisterung für den natürlichen Darwinismus, für die Jagd und den Sieg. Es ist die Naturromantik und Freude des Jägers und des Militaristen, der sich mit dem Raptoren identifizieren kann. Da verwundert es nicht, dass Fleurons Werke vor allem im nationalsozialistischen Deutschland der 30er und 40er Jahre großen Anklang fanden. Was offenbar auf Gegenliebe stieß, da sich Fleuron für den Zweiten Weltkrieg begeistern konnte.

Die Ambivalenz des Tierromans zeigt sich einerseits in einer deutliche Naturliebe und einem klaren Bekenntnis zum Naturschutz mit durchaus harscher Kritik an Jägern und der menschlichen Kultur im Allgemeinen.

„Die Natur soll ins Haus gebracht werden – tot oder lebendig – aber hinein ins Haus soll sie! Auf Kommoden und Bücherschränken, in den Naturgeschichtsklassen der Schulen oder in Glaskästen der Museen stellt man die letzten Überreste der ursprünglichen Fauna des Landes zur Schau; hier steht sie ausgestopft mit starren Glasaugen. Jeder zweite, dritte Vogel, der früher so allgemein war, daß er in Sagen des Landes verwoben wurde, ist jetzt selbst bald nur noch Sage. Sie werden zu Geld gemacht, sie werden aus den Wolken und von den Baumwipfeln herabgeholt, um die Taschen der Leute mit klingender Münze zu füllen, der letzte Adler, wie die gehegten Störche.“

Der Starke wird überleben

Angesichts des gegenwärtigen traurigen Zustandes der Vogelpopulationen in Europa, ist es frappant zu lesen, dass die Warner und Mahner seit hundert Jahren ignoriert werden. Für unseren lächerlichen Wohlstand, der sich in großen Häusern, großen Autos, großen Fernsehern und alles muss immer größer werden, widerspiegelt, gehen wir über Leichen. Und da uns schon Menschen nicht interessieren, geht es den Tieren noch schlechter.

Andererseits geht es Fleuron aber nicht um einen allgemeinen Natur- und Tierschutz, sondern um eine Art romantisiertem Heimatschutz. Dabei ist Natur nicht etwas für sich selbst Stehendes, sondern Metapher und Ideologie des Überlebenskampfes der germanischen Rasse. Der ursprüngliche alte Uhu wird von außen bedroht und muss sich in einer ewigen Abwehr immer weiter zurückziehen. So hofft Fleuron nicht nur auf den Sieg der Natur, sondern gleich auf den Sieg des „tapferen, wachen deutschen Volkes“. Es ist die ideologische Abwehr der Moderne, die schon bei den Nationalsozialisten mit ihrer verqueren und erfundenen arischen Geschichte, eine zentrale Rolle spielte.

Der Mensch im Tiere

Fleuron projiziert auf die Tiere menschliche Emotionen und Fähigkeiten. Dabei fehlt es nicht an Übertreibungen und der Einbindung von urbanen Legenden. So kann Strix „teuflisch täuschen“, sie ist mutig, heuchlerisch, denkt die ganze Zeit nach, ist rachsüchtig, empfindet Reue. Andere Tiere sind zanksüchtig, streitbar, friedfertig, böse, mordgierig und verspüren einen Drang nach Blut. Insgesamt nimmt das Töten einen recht umfangreichen Teil im Buch ein.

Es verwundert ein wenig, dass dieser Roman neu aufgelegt wurde. In Erwartung eines wundervollen Tier- und Naturromans, habe ich eine gewaltlüsterne, fabulierende Jägerromantik bekommen, die angesichts des durchaus problematischen Autors sich nicht gerade für eine Neuauflage angeboten haben dürfte. Da würde mich ja mal die Zielgruppe interessieren.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei Diederichs.

 

Strix. Die Geschichte eines Uhus Book Cover Strix. Die Geschichte eines Uhus
Svend Fleuron
Roman
Diederichs
01. März 2023
Hardcover
192
https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Strix/Svend-Fleuron/Diederichs/e612852.rhd
Aus dem Dänischen von Mathilde Mann
22,00 €
978-3-424-35127-9

Jägerromantik mit der Freude am Überlebenskampf und am Töten. Kann man getrost ignorieren.