Wandlungskünstler
Unser Garten ist weitestgehend ein Naturgarten. Mit Totholz, Büschen, Bäumen, Gräsern, vielen Wildblumen, einem kleinen Teich, zwei winzigen „Sandkästen“, einem selbstgebasteltem Bienenhotel, mehreren Vogelfutterstellen, einer großen Wasserschale und viele Kleinigkeiten mehr, die den Garten zu einem kleinen Biotop machen. Über 30 Vogelarten fühlen sich bei uns Wohl, dazu Igel, Eichhörnchen, Schnecken und vor allem unzählige Insekten, geradezu ein Paradies für die kleinen Wandlungskünstler. Ebenso wie die Spinnen sind Insekten allerdings bei vielen Menschen eher die Parias des Tierreichs oder zumindest des Gartens. Dadurch, dass Horror- und Gruselfilme sich gerne beim Aussehen von Insekten für ihre Ungeheuer und Aliens bedient haben, ist das Image der kleinen Flieger und Krabbler nachhaltig beschädigt. Auch einige Urban Legends tragen nicht gerade zum Ansehen von Mücken, Hornissen und anderen Stechern bei. Dabei sind durchaus einige Insekten beliebt, zum Beispiel Schmetterlinge oder der fliegende Teddy – die Hummel.Der Fotoband (erweiterte Neuausgabe) „Wandlungskünstler, die geheime Erfolgsgeschichte der Insekten und wie sie weitergehen kann“ aus dem Dölling und Galitz Verlag ist ein außergewöhnlich faszinierendes Sachbuch. Die Fotografien von Nicole Ottawa und Oliver Meckes sind atemberaubend. Es sind nicht einfach nur Makroaufnahmen, sondern aufwändig gestaltete Reproduktionen mit dem Rasterelektronenmikroskop. Kleine Kunstwerke, die einen unvergleichlichen Einblick in die Welt der Insekten bieten. Selten habe ich so lange auf Bilder geschaut, um noch das winzigste Detail wahrzunehmen. 20 Insekten haben die beiden Fotograf*innen ausgewählt. Alle werden sowohl einmal als Larve und einmal als Adult in Ultragroßaufnahme gezeigt. Dazu kommen noch einige Bilder, um das Insekt aus etwas Distanz in seiner „gewohnten“ Ansicht einordnen zu können.

©Nicole Ottawa und Oliver Meckes | Die Hornisse ist die grösste heimische Faltenwespe. Die Königin erreicht eine Länge bis 4cm. Hornissen stehen unter Naturschutz! Raster-Elektronenmikroskop, Vergrösserung 10:1 (bei 15x15cm Bildgrösse)
Staunen und Lernen
Das allein wäre schon Grund genug, den Bildband zu empfehlen, aber das Autorenduo Veronika Straaß und Claus-Peter Lieckfeld haben kongeniale Texte zu den Insekten geschrieben. Der Wissenschaftsrat hat gerade wieder aktuell auf die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation hingewiesen. Hier hat man ein hervorragendes Beispiel, wie diese Kommunikation gelingen kann. Informativ, amüsant und unterhaltsam haben die beiden Autor*innen eine äußerst angenehme Art Wissen zu vermitteln. Auch neueste Erkenntnisse finden sich in dem Buch. So ist es erst vor ein paar Jahren durch modernste Technik gelungen ins Innere der Verpuppung zu schauen. Wie läuft die Metamorphose eigentlich wirklich ab. FASZIENIEREND!

©Nicole Ottawa und Oliver_Meckes | Die Frühe Adonisjungfer (Pyrrhosoma nymphula) gehört zu den Schlankjungfern. Sie lebt an langsam fliessenden Gewässern und hält sich dort hauptsächlich im Schilfgürtel auf. Auffällig bei Libellen sind die fast als vollständige Kugeln ausgeformten Facettaugen mit sehr feinen Facetten. Raster-Elektronenmikroskop, Vergrösserung 40:1 (bei 15x15cm Bildgrösse)
Klar, für Biolog*innen oder Entomolog*innen wird dort vermutlich nicht viel neues drinstehen. Aber für alle anderen ist es ein Quell der Freude. Zumindest bis es zum Abschnitt der Artensterbens kommt. Egal wieviel man über den Klimawandel, Landwirtschaft, Bodenausbeutung, -zerstörung und -versiegelung gelesen hat – es ist immer wieder erschreckend mit den Fakten konfrontiert zu werden. Umso großartiger finde ich die klare Positionierung der Autor*innen:
Ein wunderbares Buch, dass sich auf den kommenden Weihnachtswunschlisten wiederfinden sollte!
Mehr Informationen gibt es direkt bei Dölling und Galitz.
Sehr interessant und mit weiteren grandiosen Bildern ist auch die Webseite der beiden Fotograf*innen eye of science.

Sachbuch
Dölling und Galitz
Oktober 2021 (erweiterte Neuauflage)
Hardcover mit Fadenheftung | 90 großformatige Farbabbildungen
136 Seiten
https://www.dugverlag.de/
29.90 €
978-3-86218-149-0

Faszinierende Aufnahmen, großartige Texte. So muss Wissenschaftskommunikation.