cover mort(e)
SciFi / Fantastik:
Robert Repino
Preis:
12,99 €

Rezension von:
Bewertung:
5
23. Juli 2017
Letzte Änderung:22. Juli 2017

Das mit Abstand skurrilste und fantastischste Buch seit langem!

Mort(e)

Der Roman beginnt mit dem gewöhnlichen Leben, gewöhnlicher US-Amerikaner mit einer gewöhnlichen Hauskatze. Sebastian ist genau genommen Hauskater und, wie er selbst befindet, der Beschützer seiner Familie. Der Nachbar, der immer häufiger zu Besuch kommt, um der gewöhnliche Hausfreund zu werden, bringt seine Hündin Sheba mit. Sebastian und Sheba freunden sich an und verbringen ihre wenige Zeit eingekuschelt im Keller miteinander. Bis hierher eine schöne kleine (gewöhnliche) Tiergeschichte. Doch plötzlich beginnt der namenlose Krieg (‚The war with no name‘ im Original). Sebastian mutiert, so wie fast alle anderen Tiere auf der Welt, zu einem aufrecht gehenden, denkenden und sprechenden Tierwesen. So wie einst Adam und Eva die Erkenntnis überfiel, so werden auch die Tiere adhoc selbst-bewusst und sich ihrer meist ausgenutzten und unterworfenen Lage gewahr. Der Aufstand der Tiere führt zum apokalyptischen Krieg von Mensch gegen Tier. Und Sebastian ist einer der ersten der seinen Herrn ermordet – zwar aus Notwehr, aber sei‘s drum. Dies ist der Beginn der Geschichte von Mort(e).

Der unerwartete Ausbruch des Krieges, initiiert von einer überlegenen Ameisenrasse, die auch für die Mutationen der Haus- und Nutztiere verantwortlich ist, führt zu einem heillosen Durcheinander. Sebastian/Mort(e)s Familie flieht vor den Tieren und auch Sheba, die sich noch nicht verwandelt hat, rennt instinktiv davon. Dies ist der Beginn einer jahrelangen Suche. Mort(e)s selbstgestecktes Ziel ist es, Sheba wiederzufinden: sein Wohlgefühl, seine Freundin, seine Liebe. Und so fantastisch, so verrückt, so skurril und absurd die Geschichte bis hierher auch klingt, sie wird noch viel abgefahrener. Robert Repino hat mit Mort(e) ein Meisterwerk der fantastischen Literatur vorgelegt. Es ist nicht lediglich ein Roman, der Tiere zu menschenähnlichen Protagonisten erhebt und mit den Ameisen im Hintergrund mit Reverenzen an Formicula aufwartet. Vordergründig ist es eine apokalyptische Science Fiction Geschichte, in der Tiere und Menschen den Endkampf um die Herrschaft antreten. Aber es ist noch so viel mehr.

Tiefgründige fantastische Geschichte

Mort(e) ist ein Antikriegsroman. Die Schilderungen der Schlachten und der Gewalt sind expliziter, als man es in so einem Buch erwarten würde. Hier wird nicht geschönt. Hier ist Krieg keine Bewährungsprobe für Helden. Im Gegenteil karikiert Repino immer wieder genau solche Verklärungen des Krieges. Mort(e) ist Kriegsheld wider Willen, der dem Heldentum mit aufklärerischem Sarkasmus begegnet. Es ist auch ein gesellschafts- und religionskritischer Roman. Hier steht nicht weniger als die gesamte Menschheit auf dem Prüfstand. Wenn auch aus einer durchaus sehr amerikanischen Perspektive.

Und immer, wenn man das Gefühl bekommt, jetzt übertreiben es die Tiere respektive Repino aber, werden Rückblenden über das frühere Leben der Tierprotagonisten eingebunden. Damit hält uns Repino den Spiegel vor, aus dem uns die schreckliche Fratze der Menschheit anblickt. So brutal auch der Krieg geführt wird, er kommt nie an die Grausamkeiten heran, die die Menschen den Tieren seit eh und je antun. Und dennoch, verbleiben diese Warnungen und Mahnungen immer im Hintergrund, werden nie aufdringlich. Es ist Science Fiction der alten Schule. Die Kritik an der Gegenwart zeigt sich en passant ohne erhobenen Zeigefinger. Dazu ist der Kater Mort(e) auch einfach viel zu cool. Geradezu ein Protagonist der 80er oder 90er Jahre. Der lässige Mittelpunkt der Erzählung.

Und immer wieder gibt es kleine aber feine Anspielungen, Easter Eggs und Reverenzen. So heißt das Schwein einer Eliteeinheit Bonaparte.

„Mort(e) schmunzelte. ‚Napoleon war schon vergeben?‘

‚Viele Male.‘“

Napoleon hieß eines der führenden Schweine in George Orwells „Farm der Tiere“. Die ehemaligen ausgenutzten Tiere oder auch euphemistisch Nutztiere, hatten sich also nach ihren „Helden“ benannt. Repino ist ein Kenner des Orwellschen Werkes und flechtet gekonnt kleinste Elemente in sein Mort(e) mit ein. Sei es der Begriff des Gedankenverbrechens oder die Anleihen an den Totalitarismus.

„Bonaparte konnte die gnadenlose Natur des totalitären Staates sehen, in dem er lebte: Wurden Leute lange genug brutalisiert, taten sie die schmutzige Arbeit ihrer Unterdrücker.“

Solche Sätze, man möchte fast schreiben Aphorismen, platziert Repino immer wieder ohne jedoch die Spannung und den Spaß zu vernachlässigen. Mort(e) ist feinste Unterhaltung mit Anspruch. Fantastik und Science Fiction at it’s best. Und dazu ist es auch noch ein sprachlicher Leckerbissen.

„Feuer, Theatralik und Martyrium, die einzigen Formen der Kunst, die die Menschheit perfektioniert hatte. Nur in Zerstörung konnten sie etwas Schönes schaffen.“

Mort(e) ist eines jener Bücher, bei dem man sich wünschte, es würde einfach nicht enden. Die Charaktere wachsen einem dermaßen ans Herz, das man von ihnen nicht verlassen werden möchte. Oder wie es die Werbung auf dem Klappentext vollkommen treffend schreibt: „Mort(e) wird noch lange bei Ihnen sein, nachdem Sie die Buchseiten geschlossen haben.“ Stimmt! Und deshalb habe ich mich auch umso mehr gefreut, als ich gesehen habe, dass Robert Repino mittlerweile die grandiose Geschichte fortgesetzt hat. Der Luchs Culdesac, als Anführer einer Elitespezialeinheit ein wesentlicher Protagonist des Romans, hat seinen eigenen Spinoff bekommen und die Geschichte von Mort(e) und Sheba geht in D’Arc weiter. Momentan bekommt man die natürlich nur im Original zu lesen. Für mich heißt das dann wohl tatsächlich mal, dass ich die beiden Fortsetzungen auf Englisch lesen muss. Aber tatsächlich ist Mort(e) ein wirklich ausgezeichneter Grund damit anzufangen.

Ein Buch bei dem ich mir wünschte, dass es verfilmt würde. Vermutlich würde es Hollywood zwar wie gewohnt verhunzen, aber die Bilder in meinem Kopf würde ich doch zu gerne so oder so ähnlich auf Leinwand sehen.

Einziger Wermutstropfen sind die wirklich zahlreichen Tippfehler. Und gen Ende wechselt der Mort(e) mit jeder Seite von Pistole zu Maschinenpistole und zurück. Das ist unschön, kann aber selbstverständlich nicht im Geringsten das Lesevergnügen mindern.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt beim Luzifer Verlag.

 

Robert Repino
Mort(e)
Übersetzt von Andreas Schiffmann
Verlag: Luzifer
Klappenbroschur
Seiten: 360
Preis: 12,99 €

ISBN: 978-3-95835-128-8

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