FEMFACTS
Frauen und Männer sind gleichberechtigt, da gibt es nichts mehr zu tun. So hört man nicht nur von Männern. Und im Gegenteil mehren sich die Stimmen, die jetzt entweder Männerförderung einfordern, den Schlussstrich unter Emanzipation setzen wollen oder die Feminismus sogar als gemeinsamen kleinsten Nenner für ihre Misogynie oder rechten Parolen entdeckt haben. Dabei sind wir von echter Gleichberechtigung noch weit entfernt. Institutionell, also z.B. rein dem Gesetzestext nach, herrscht mittlerweile Gleichberechtigung. Nur wird diese eben nicht überall auch gelebt. Häufig sind es Männerbünde, die sich weigern echte Gleichberechtigung durchzusetzen. Das wird jede*r schnell nachvollziehen können, der*die schon mal eine Diskussion zum Gender-Pay-Gap geführt oder zumindest beobachtet hat. Da geben sich Männer dann allergrößte Mühe, um den Gap kleinzurechnen, zu negieren oder mit hanebüchenen Argumenten zu rechtfertigen. Michaela Leitner nimmt sich in ihrem illustrierten Werk Femfacts zahlreicher Beispiele von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen an.
„Und für alle, die sich noch nicht getraut haben, laut zu sein.“
Dabei liegt der Fokus von Leitners Buch aus dem wunderbaren &Töchter-Verlag deutlich auf einer illustrierten Einführung in die Thematik und somit einem niedrigschwelligen Einstieg in alle Belange des Feminismus. Hier sehe ich auch und im Besonderem junge Menschen als Zielgruppe und keinesfalls nur Mädchen. Denn Gleichberechtigung ist ein Anliegen, dass alle angehen sollte. Auch und wieder im besonderen Männer sollten sich hier angesprochen fühlen. Gerade deshalb sehe ich auch Jungs als Zielgruppe einer aufgeklärten und emanzipierten Bildung. Sensibilisierung für die Problematiken hilft, diese künftig besser angehen und vermeiden zu können.
Bei Michaela Leitners Femfacts handelt es sich im Grunde um ihre Masterarbeit in Transformation Design und ist somit vornehmlich eine Arbeit, in deren Mittelpunkt die Designs, Grafiken und Illustrationen stehen. Dies macht die ansonsten häufig schwer zu ertragenden Ungerechtigkeiten etwas leichter verdaulich, ohne jedoch den Inhalt aus den Augen zu verlieren. Andererseits werden Leser*innen, die sich bereits mit Feminismus auseinandergesetzt haben, nicht wirklich etwas neues entdecken.
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive gäbe es denn auch so einiges zu kritisieren. Das fängt schon mit der Umfrage am Beginn des Buches an und endet nicht zuletzt bei der Quellenauswahl. Diese sind zwar durchweg informativ, aber nicht gerade kritikresistent. Teils entstammen sie deutlich aus der politischen und weniger aus der wissenschaftlichen Sphäre. Das ist vollkommen legitim, in vielen Bereichen auch fraglos notwendig. Ich wünsche mir bei „Facts“ aber eben wissenschaftliche Evidenz. Sonst verwässern die Begriffe und Anliegen m.E. zu sehr.
Macht die Augen auf!
Auch der Ton, den Leitner wählt, ist häufig nicht gerade förderlich. Irgendetwas zwischen Sarkasmus und lakonischer Polemik, die man ansonsten aber eher bei der Gegenseite findet – also bei irgendwelchen misogynen Postillen und deren Anhängern. Schon klar – manche Ungerechtigkeit, auch angesichts der Ohnmachtsgefühle, kann man nur mit Humor nehmen. Aber Sarkasmus und Polemik sind da eher Fehl am Platz und befördern eine aggressive Stimmung. Aber genug der vielleicht etwas zu spitzfindigen Kritik. Denn in Gänze ist das Buch eine gelungene Einführung in die Thematiken des Feminismus. Zumal Leitner auch immer wieder weiterführende Literatur und Internetquellen angibt.
Besonders erschreckend sind immer noch die Bias und Gaps im Bereich Gesundheit, Medizin und Fürsorge. Frauen werden hier nicht einfach benachteiligt, sondern schweren gesundheitlichen Gefahren, Schmerzen und sogar dem Tod ausgesetzt. Und zwar ausschließlich, weil sie Frauen sind. Wer Schwierigkeiten hat den Gender-Pay-Gap emotional zu akzeptieren, den werden hoffentlich wenigstens hier die Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen anspringen. Wenn nicht, dann ist eh Hopfen und Malz verloren.
Leitners Femfacts scheint mir jedenfalls ein wunderbares Geschenk für Menschen, die sich mal mit Feminismus beschäftigen wollen / sollen ohne gleich in den Bereich der sozialwissenschaftlichen Literatur einzusteigen.
Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei &Töchter.

Sachbuch
&Töchter Verlag
29.06.2022
Klappenbroschur
208
https://und-toechter.de/femfacts
20,00 €
978-3-948819-05-7

Wunderbare illustrierte Einführung in den Feminismus.