Cover Borne

Borne

Eines der größten Meisterwerke der fantastischen Literatur der letzten Jahre ist für mich die Southern-Reach-Trilogie von Jeff VanderMeer. Was für eine geniale Geschichte. Eines der nachhaltigsten Bücher, das ich je gelesen habe. Die Ideen, der Schreibstil und der magische Realismus ziehen einen hinab in eine eigene Welt. Es gibt keine vergleichbare Erzählung. Am verwandtesten wäre wohl Brian W. Aldiss. Natürlich muss man mit Fantastik, ungewohnten Geschichten und am besten auch mit Surrealismus etwas anfangen können. Ansonsten wird man sich wohl eher verwirrt und vermutlich auch gelangweilt fragen, was das Ganze soll. Hat man aber einmal Gefallen an VanderMeers Erzählweise gefunden, sucht man zwangsläufig nach mehr. Und da es auf Deutsch nicht gerade viel von VanderMeer gibt, landet man automatisch bei Borne. Und was soll ich sagen, man bekommt wonach einem verlangt. Der Wahnsinn hat Methode.

Fliegende Bären

Jeff VanderMeers Borne ist ein apokalyptisches Endzeitszenario, bei dem der technikhörige Fortschrittsglaube die Menschheit in den Abgrund gerissen hat. Wie so häufig bei VanderMeer wird die Hintergrundgeschichte nicht vollends beschrieben oder gar aufgeklärt. Vieles bleibt im Dunkeln. Die Leser*innen müssen Ambivalenzen und Ungewissheiten aushalten können. Klar ist nur, dass die Verschmelzung von Biologie und Technologie außer Kontrolle geraten ist und die Firma Biotech (nomen est omen) für das frühzeitige Armageddon verantwortlich zeichnet. In den Kellern der dubiosen Firma sind unter anderem wohl Waffen erforscht worden, die sich dann etwas anders als erwartet, entwickelt haben. Fakt ist jedenfalls, dass die Welt weitestgehend zerstört ist und das gefährliche „Monster“ die Herrschaft übernommen haben.

Und diese Monster könnten selbstverständlich teils gar nicht absurder sein. Ein riesiger, mehrere Stockwerke großer, fliegender Bär, namens Mord, terrorisiert die wenigen um ihr Überleben kämpfenden Menschen. Damit nicht genug betritt der titelgebende Protagonist die Bühne. Ein Etwas. Ein, ja was eigentlich? Eine krakenähnliche, verwandlungsfähige Anemone. Heilsbringer oder Dämon? Rettung oder Untergang? Freund oder Feind? Dadurch, dass dieser Dualismus oder gar Antagonismus von Anfang an klar ist, umgibt die Geschichte durchweg eine bizarre Stimmung, welche VanderMeer gerade in Bezug auf die Beziehung von Borne und seiner Finderin im besten Sinne auskostet.

Weird, weird, weird

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto absurder geradezu verrückter werden die Details, ohne jedoch jemals den eigenen gesponnenen Faden der inhärenten Kohärenz zu verlassen. Geht nicht gibt’s nicht – und dennoch erscheint es im Rahmen von VanderMeers Weltruine irgendwie folgerichtig. Borne macht Spaß und kann sich ohne weiteres mit der Southern Reach Trilogie messen. Ohne jedoch deren Genialität zu erreichen. Aber Meisterwerke fallen eben auch nicht vom Himmel. Im Gegensatz zu stockwerkgroßen Bären. Ein Mustread für Liebhaber des Phantastischen.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei Kunstmann.

Borne Book Cover Borne
Jeff VanderMeer
Fantastik
Antje Kunstmann
September 2017
Hardcover
368
https://www.kunstmann.de/buch/jeff_vandermeer-borne-9783956141973/t-0/
Michael Kellner
22,- €
978-3-95614-197-3

Mustread für Liebhaber des Phantastischen