cover Liebe Glaube Hohngelächter

Liebe, Glaube, Hohngelächter

Ich bin ja erst recht spät auf Jan Off aufmerksam geworden und quasi aus Versehen über sein „Nichts wird sich niemals nirgendwo ändern“ gestolpert. Dabei hatte ich dann allerdings viel Freude. Und wenn mir Autor*innen gefallen, dann will ich auch wissen, was die noch so geschrieben haben. Ganz besonders bei Jan Off, der mir ein gewisses schaurig schönes Nostalgiegefühl vermittelt hat. Also habe ich mir noch einige seiner älteren Bücher gekauft (Vorkriegsjugend und Happy Endstadium) und hatte auch damit weitestgehend großen Spaß und gute Unterhaltung. Offs Geschichten und Schreibstil sind allerdings recht, nun ja – speziell.

Mich kann die süffisante Art amüsieren, auch wenn sie einstweilen meine Grenzen des guten Geschmacks sprengt. So hat das Süffisante doch aber zugleich auch etwas Süffiges und allem voran ist es authentisch. Aber klar, das gefällt nicht allen. Ganz gewiss sollte man auch eine ordentliche Portion kritische Selbstreflexion aushalten und sich dabei auch nicht allzu wichtig nehmen. Mit „Liebe, Glaube, Hohngelächter“ legt Jan Off eine Kurzgeschichtensammlung vor, die alles das bietet, was man an ihm mag oder weshalb man ihn eben nicht liest. Humor, Provokation, Altjugendliche Post-Midlife-Crisis Erinnerungen an die guten alten Zeiten (Liebe), die nie gut waren (Glaube) und sich doch so schön in Reminiszenzen verklären lassen (Hohngelächter).

Ist das noch Punk-Rock?

Der Ventil Verlag wächst mir gerade unter anderem mit Jan Off ans Herz. Neben dem ganzen Mainstream Spiegel-Bestseller Schrott, der den Büchermarkt flutet, gibt es eben doch noch die kleinen, unabhängigen Verlage, die unkonventionelle Geschichten und Autor*innen publizieren (und in diesem Fall auch noch ein grandioses Sachbuch-Programm haben). Und unkonventionell ist ja wohl das mindeste Adjektiv, was sich Jan Off verdient hat. Mittlerweile benutze ich für diese Art der Erzählungen den Begriff der Szene-Literatur. Denn nur wer irgendwie, und sei es auch nur marginal, Kontakt mit der entsprechenden Szene hatte, wird die Geschichten, die Protagonist*innen und den speziellen Humor verstehen. Dazu erübrigt sich dann auch jede weitere Einordnung zu Titeln wie „Allzu Couragierte Arier Bluten – Eine Geschichte von exakt 1312 Wörtern Länge“.

Off verarbeitet in seinen Texten alle was ihm in die Quere kommt. Ganz der Autor eben. Das kann dann auch schon mal das Leid der Homeoffice-Geplagten sein. Natürlich literarisch verdichtet oder von einem dichten Literaten – wahrscheinlich beides. Da finden sich Beobachtungen aus dem alltagsdeutschen Protofaschismus vollkommen unkenntlich gemachter ehemaliger Gewerkschaftsfunktionäre, autobiografische Niederungen aus der niedersächsischen Provinz, infantiles delirieren und ein leider zu kurz geratenes Highlight. Nämlich die Fortsetzung von Vorkriegsjugend. Die war bisher nur gesprochen von Robert Stadlober auf Vinyl erhältlich. „Im Schatten der Chaostage“ ist die Fortsetzung der ohnmächtigen Gewaltfantasien spätpubertierender Altpunks und damit genau der wilde Ritt auf den man manchmal einfach Bock hat.

Peter Punk

Und gerade wenn man denkt, ach, das ist doch alles nur Fun-Punk, dann kommt Jan Off mit überraschend ernsten Tönen daher. So vor allem der Mini-Essay zur sogenannten Isolationshaft. Ungewohnt ernste aber notwendige Töne. Das ist der Vorteil und die Qualität von Kurzgeschichtensammlungen. Man kann alles zusammenpacken, was einem gefällt. Brüche und Gegensätze stören nicht.

Jan Off lesen ist immer wie nach Hause kommen. Man sehnt sich nach den guten alten Zeiten, wähnt sich eine Zeitlang im Wohlbehagen und wird dann abrupt immer wieder zurückgeworfen und daran erinnert, warum man eben nicht mehr zuhause wohnt. Jan Off ist der Kumpel mit dem man an der Theke auf die beste Zeit des Lebens anstößt, in dem Wissen, dass man anschließend mittlerweile eine dreitägigen Kater auskurieren wird. Aber man macht es trotzdem.

Jan Off Connaisseure sind dringend angehalten auch hier wieder eine Pause im Hamsterrad des Lebens einzulegen und Offs Kurzweil zu genießen. Literarisches Yoga für Punk-Peter-Pans.

 

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Liebe, Glaube, Hohngelächter Book Cover Liebe, Glaube, Hohngelächter
Jan Off
Kurzgeschichten
Ventil Verlag
11. Januar 2022
Hardcover
176
https://www.ventil-verlag.de/titel/1898/liebe-glaube-hohngelachter
16,00 €
978-3-95575-160-9

Literarisches Yoga für Punk-Peter-Pans. Uneingeschränkt empfehlenswert.