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Ihr Radio hat eine wichtige Nachricht für Sie!

Aktuell bewege ich mich ziemlich häufig im Bereich des besonderen Interesses. Wobei ja jedes Interesse irgendwie auch besonders ist, vielleicht wäre es deswegen angemessener von Nischen-Interessen zu schreiben oder von sonderbaren Interessen. Nun denn. Das Phantastische hat jedenfalls seit Gründung von Koreander hier seine Heimat. Und auch das Groteske darf immer wieder sein Krokodil gen Himmel recken. Und während ich diesen Beipackzettel schreibe, hat Ihr Radio eine wichtige Nachricht für Sie! Hören Sie genau hin, was Eugen Egner schreibt. Einer der wenigen verbliebenen Großmeister der Groteske und des Fantastischen hat einen neuen Sammelband im Verbrecher Verlag veröffentlicht. Kein Grund die Waschmaschine anzustellen aber ganz sicher eine Gelegenheit die Synapsen mal so richtig durchrütteln zu lassen. Die Geschichten sind so abstrus und grotesk wie es für eine literarische Elektrokonvulsionstherapie eben von Nöten ist.

„Meine Geburt traf mich unvorbereitet und kam mir ungelegen.“

Das Groteske ist bekanntlich der Verstoß gegen künstlerische Normen und dabei vor allem die Missachtung des Erwartbaren, das Spiel mit dem Anschein und die Infragestellung des Wirklichen oder Wahrhaftigen. Manchmal kommt die Groteske mit impliziten kritischen Konnotationen daher und manchmal ist sie einfach das Spiel mit den Worten. Je kürzer die Erzählungen in dem Sammelband sind, desto besser haben Sie mir gefallen. Wie genial ist die Geschichte „Brief“. Hier erhält die Kunst am meisten Wirkung. Da es sich mehrheitlich um eben solch kurze Geschichten handelt, überzeugt „Ihr Radio hat eine wichtige Nachricht für Sie!“ auch in Gänze. Wobei ich mich zuweilen gefragt habe, ob Egner nicht einfach längere Absätze durch die „Autozusammenfassungs-Option“ von MS-Word hat laufen lassen. In älteren Versionen gab es diese Funktion zumindest noch. Dieses vage Gefühl konnte ich bis zuletzt nicht auflösen angesichts der beeindruckenden Erzählung „Wolkenbruchartiger Kampf“.

„Die Zeit verwich wie mit grober Feile abgetragen.“

Der vielbeschworene Vergleich Egners mit E.T.A. Hoffmann kommt tatsächlich nicht von ungefähr. Es sind nicht unbedingt die Geschichten, sondern eher der Stil. Beim Lesen hatte ich des Öfteren das Gefühl wieder Hoffmann oder Edgar Allen Poe zu lesen. Ähnlich kurze Sätze, ein scheinbar altbekannter Ich-Erzähler. Und immer wieder auch das Fantastische. Menschen, die es nie gegeben hat. Erinnerungen an ein anderes Selbst oder sind es Erinnerungen anderer Selbste? Und auch die Wortwahl scheint einer anderen Zeit zu entstammen. Es ist nicht nur eine Reise ins Absurde, sondern auch ein Ausflug in längst vergessen Zeiten, die es niemals gegeben hat.

„Ich war zu faul zum Schlafen und blieb lange auf.“

Gewiss. Grotesken, Fantastisches und Absurdes muss man schon mögen, sonst steht man wie der Hahn vorm Kühlschrank und versteht nur böhmisch. Seis drum, es ist fabelhafte Unterhaltung aus einem seltenen Genre.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei den Verbrechern.

 

Ihr Radio hat eine wichtige Nachricht für Sie! Book Cover Ihr Radio hat eine wichtige Nachricht für Sie!
Eugen Egner
Groteske
Verbrecher Verlag
26. August 2021
Hardcover
184 
https://www.verbrecherverlag.de/book/detail/1068
20,00 €
9783957324962

Einmal die Synapsen geschüttelt, nicht gerührt bitte. Herrliche Grotesken, großartige Unterhaltung für Connaisseur*innen.