Roman:
Nicolas Fougerousse
Preis:
18,90 €

Rezension von:
Bewertung:
3
7. März 2017
Letzte Änderung:18. November 2017

Mehr Lebensratgeber als Roman

Die Verseflüsterin

Hör auf deine Gefühle ist die erste seltsame Botschaft ohne Absender die Marcus erhält. Und im Prinzip hatte da die Werbung schon bei mir gegriffen. Rätselhafte Nachrichten funktionieren ja immer irgendwie. Dazu spielt die Handlung noch in Paris. Dann noch die catchy Begriffe: poetischer Roman und ich war interessiert. Was ich wohl überlesen hatte war, dass es ein achtsamer Roman ist. Wer es nicht kennt, überliest es auch schnell. Aber Achtsamkeit ist ein Lebensführungskonzept, eine Lebenseinstellung und auch ein psychologisches wie buddhistisches Programm. Und genau so liest sich der Roman dann leider auch: wie ein Lebensratgeber.

Es gibt zwar auch irgendwie eine Handlung, aber legt man das gesamte Buch zugrunde, sind es eigentlich eher unterschiedliche Kurzgeschichten, die in einen Rahmen gequetscht wurden. Im Vordergrund steht eindeutig die Botschaft. Die Geschichte ist nur das Transportmittel. Und das ist meines Erachtens ein Todesurteil für Literatur. Gute Schriftsteller, wenn sie denn überhaupt eine Botschaft vermitteln wollen, fügen diese dezent in die Handlung ein. Im Vordergrund stehen aber immer die Personen. Das geht auch nicht anders, denn ohne interessante Charaktere gibt es eben auch keine Identifikation mit den Protagonisten und die ganze Geschichte bleibt unerheblich.

Nicolas Fougerousse ist auch leider (noch) kein guter Schriftsteller. Sein Anliegen ist nobel und wer sich für Achtsamkeit, Yoga, bewusste Lebensführung und ähnliches interessiert, wird womöglich auch hier gute Unterhaltung bekommen. Wer allerdings einen spannenden Roman, eine tiefgründige Geschichte erwartet, wird kolossal enttäuscht. Wer das ganze weniger esoterisch angehaucht möchte, ist zum Beispiel bei Erich Fromm wesentlich besser aufgehoben. Und wer einen Lebensratgeber oder ein Buch zur Achtsamkeit möchte, sollte auch direkt dort zugreifen. Diese Mischung, die Fougerousse hier vorlegt, überzeugt mich jedenfalls nicht.

Hinzu kommt, dass man zwar stellenweise durchaus Talent erkennt, dass aber meistens ein sehr einfacher und nicht besonders bewegender Sprachstil Verwendung findet. Was auch noch gekrönt wird in dem „lustigen“ Chinesenwitz, bei dem jemand „mit den Fingern seine Augen zu Schlitzen“ zieht und „mit chinesischem Akzent“ spricht. Autsch.

Beim „glühend heißen Tee“ zuckt man auch nur kurz zusammen, um dann zu lesen: „Die Nacht senkte sich langsam herab, ein paar Sterne flammten auf, herzflimmernde Leuchtkäfer im Schwarz des Kosmos: himmlische Umarmung, ewig.“ Auwei. Das kann man natürlich als poetisch verklären, man kann aber auch sagen, dass sich da noch jemand in Sprachbildern üben könnte. Höhepunkt gefällig? „Seine Finger suchten die verborgene Perle, und als er sie entdeckt hatte, brachte er sie zum Höhepunkt.“ Dass man Sexszenen auch gut beschreiben kann, hat z.B. Mirna Funk in Winternähe gezeigt.

Literarisch wird man bei der Verseflüsterin nicht gerade verwöhnt. Wer aber einen achtsamen Roman sucht, und so vielleicht Lebensratgeber und Unterhaltung verbinden möchte, der kann getrost bei Nicolas Fougerousse zugreifen. Zumal Teile der Rahmenhandlung tatsächlich überraschend sind. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass diese bedeutenden Handlungsstrenge auch mit der entsprechenden Sorgfalt und Tiefe behandelt würden. So kommt das Debüt auf immerhin gute gemeinte drei Punkte!

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Die Verseflüsterin
Nicolas Fougerousse
Übersetzung: Elisabeth Liebl
Geb. mit Schutzumschlag
232 Seiten
Verlag: LIBRA,SCORPIO
ISBN 978-3-95803-106-7
€ 18,90