Im Glashaus gefangen zwischen Welten
Wer hier ab und an reinschaut, weiß, dass ich gerne Werke von unabhängigen Autoren und Verlagen lese. In der Regel handelt es sich dabei um Romane und nicht selten Debütromane. Im Falle von Deva Manick handelt es sich allerdings um ein Sachbuch mit autobiografischen Anteilen. Im Zentrum stehen seine Erfahrungen als Flüchtling bzw. Zuwanderer, der zwischen zwei Kulturen aufwächst. Devas Mutter ist mit seinen älteren Geschwistern vor dem Bürgerkrieg aus Sri Lanka geflohen, sein Vater lebte bereits vorher in Deutschland. Deva wurde im Asylantenheim geboren und verbrachte dort die ersten neun Jahre seines Lebens. Deva war und ist ein Wanderer zwischen zwei Welten. Und gerade das eröffnet ihm die Möglichkeit, der oft verborgenen Gefühls-und Gedankenwelt von Flüchtlingen nachzuspüren. Deva Manicks Im Glashaus gefangen zwischen Welten ist sowohl Autobiografie, die der Mehrheitsgesellschaft zeigen kann, wie Migranten Deutschland empfinden und erleben als auch Ratgeber für Migranten, die aus Devas Lebens- und Leidensweg lernen können.
Deva heißt mit vollem Namen Devakumaran Manickavasagan, sein Pseudonym Deva Manick ist ein Entgegenkommen für den deutschen Sprachgebrauch, der sich mit tamilischen Namen etwas schwerer tut. Er beschreibt seinen Lebensweg von der Flucht seiner Mutter und älteren Geschwister aus einem Bürgerkriegsland, seiner Geburt im Asylantenheim bis weit über seine Jugend hinaus. Das Buch, das bereits 2012 erschienen ist, erhält durch die weltweiten Kriege und die damit verbundenen Flüchtlingsbewegungen eine brisante Aktualität. Deutschland scheint zwiegespalten. Auf der einen Seite Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen oder ihnen zumindest Sicherheit geben wollen und auf der anderen Seite Menschen, die das Grundgesetz nicht so genau nehmen und Grenzen dicht machen wollen und Geflüchtete abschieben, aber zumindest auf gar keinen Fall integrieren wollen. Viel wird mal wieder geredet. Über Flüchtlinge. Nicht mit ihnen. Dabei wissen wir so gut wie nichts über die meisten Migranten. Über ihre Gefühle, ihre Erlebnisse, ihre Schwierigkeiten.
Innenansichten eines Migranten
Im Glashaus gefangen zwischen Welten bietet die Möglichkeit sich anhand der Geschichte eines Exil-Tamilen und der tamilischen Diaspora wichtigen aktuellen Themen zu nähern. Was bedeuten Flucht und Exil? Wie wachsen Kinder zwischen zwei Kulturen auf? Einerseits das traditionellere Zuhause und andererseits die neue Kultur in der Schule und bei Freunden. Welche Rolle spielen Liebe und Sexualität? Deva beschreibt offen und ehrlich seinen eigenen Weg und analysiert dabei auch Einflüsse, die ihn geprägt haben im guten wie im schlechten. Dabei muss aber auch gesagt werden, dass Im Glashaus immer dann besonders stark ist, wenn Deva aus der eigenen Erfahrung schreibt. Wenn er seine persönliche Geschichte und die seiner Familie in den Mittelpunkt stellt. Das indische Kastenwesen, arrangierte Hochzeiten, tamilische Filme und Internetseiten, die Eigendynamik der in der Diaspora lebenden tamilischen Familien, die sich dem Kapitalismus scheinbar überangepasst haben und ausschließlich nach Status und Einkommen streben und bereit sind dem alles unterzuordnen, auch die Gefühle der eigenen Kinder. Allerdings sind Devas Analysen nicht immer besonders treffsicher. Zwar ist seine Alltagsphilosophie im Kern sehr sympathisch, aber ob die Gründe für bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen, tatsächlich zutreffend sind, ist eher fraglich.
Wenn man sich darauf einlässt, dass Im Glashaus eher ein Ratgeber für Migranten ist, der Gedankenanstöße liefern kann, dann ist es eine lohnenswerte Lektüre. Für Menschen ohne Migrationserfahrung sowieso, da eben einiges über die Gefühlswelt und die Schwierigkeiten mit denen Flüchtlinge konfrontiert werden, zu lernen ist. Man sollte allerdings auch bereit sein, ein klein wenig über die Analysen wohlwollend hinwegzulesen, denn nicht alles was Deva als spezifisch migrantisch ausmacht, ist es auch. Vielmehr sind es häufig menschliche Universalien, die in allen Gesellschaften vorkommen nur eben in unterschiedlicher Ausprägung. Zumal es in allen Gesellschaften sowohl konservativere als auch progressivere Menschen gibt.
Stolperstein Lektorat
Leider liest sich Im Glashaus nicht durchgängig flüssig. Hier hat das Lektorat keine gute Arbeit abgeliefert. Und dabei rede ich nicht über Rechtschreibung oder Grammatik, schließlich geht es bei Deva um wichtige Inhalte, da kann man auch mal über solche Banalitäten hinwegsehen. Mir geht es aber vor allem um den roten Faden, um Stringenz, um das Vermeiden von Redundanzen, um die innere Logik, den Aufbau einzelner Kapitel. So hätte zum Beispiel das Nachwort unbedingt das Vorwort sein müssen. Es sind viele Kleinigkeiten, die ein Lektorat hätte korrigieren müssen. So hätte vielleicht auch der ein oder andere inhaltliche Satz abgefangen werden können. So beklagt er zum Beispiel den Anstieg der Scheidungsrate als Auswuchs einer „radikalen Liberalisierung“. Dabei kann man das auch als wichtigen Fortschritt betrachten, da Frauen nun nicht mehr gezwungen sind, bei einem Mann zu bleiben, sondern aufgrund von Emanzipation und Sozialstaat in die Lage versetzt werden, sich zu trennen und unabhängig von einem Mann selbständig leben zu können.
Am Ende überwiegt aber letztlich Devas Message. Es geht ihm darum, dem Teufelskreis aus Entfremdung, Absonderung, Indigeniserung und damit der Desintegration entgegenzuwirken. Im Glashaus kann eine Hilfe sein, sich den Schwierigkeiten der Integration zu stellen. Und zwar für beide Seiten, die Neuankömmlinge und die Alteingesessenen. Denn das Integration, so man sich denn auch helfen lassen möchte, gelingen kann, zeigt Deva pars pro toto.
Devakumaran Manickavasagan
Im Glashaus gefangen zwischen Welten
Taschenbuch
Seiten: 195
Verlag: Engelsdorfer Verlag
Preis: 14,50
ISBN: 978-3862689200
Deva ist vor allem auch ein ausgezeichneter Redner wie in den beiden Videos zu sehen ist. Bleibt zu hoffen, dass er noch viele Chancen bekommt, seine Erfahrungen an andere Menschen weiterzugeben.