Der neue Klassenkampf: Die wahren Gründe für Flucht und Terror
„Die Schonzeit für den Westen ist vorüber“ schreit es einem geradezu von der Rückseite des kleinen Heftchens entgegen. „Nicht die Flüchtlinge gefährden unsere Gesellschaft – vielmehr bedroht das globale Kapital die gesamte Weltordnung.“
Ja Mann. Und genau deswegen habe ich das pinke Büchlein gekauft. Nicht das Geplapper besorgter Bürger, sondern die Analyse der kapitalistischen Weltordnung. Natürlich passt keine differenzierte Analyse in 96 Seiten, aber eine Anklage mit ein paar Beispielen, ein politisches denn ein soziologisches Buch wollte ich lesen. Schließlich tönt es von der Buchrückseite: „Für Slavoj Zizek, einen der wichtigsten Denker der Gegenwart, sind Flucht und Terror die Folgen eines neuen Klassenkampfes.“ Und von einem der wichtigsten Denker erwarte ich einige interessante Gedankengänge, ein paar Formulierungen, Beispiele, Thesen, die meine Assoziationsketten befeuern und mir neue Sichtweisen ermöglichen.
Ich mache es kurz. Das Heft ist eine einzige Enttäuschung. Nicht ein Gedankengang ist neu. Nicht nur das, es hat auch kaum etwas mit „einem neuen Klassenkampf“ zu tun, den man begrifflich ja eher „Links“ verorten würde. Was genau daran eine „Streitschrift“ sein soll, in der Ullstein das Buch einreiht, kann wohl auch nur jemand am ganz rechten Rand beantworten. Denn alle Thesen die Zizek aufstellt, sind schon zigfach im Mainstream diskutiert und dekliniert. Selbst im konservativsten Lager weiß man, dass Menschen in Afrika flüchten, weil der globale Kapitalismus die Lebensgrundlage in diesen Ländern zerstört. Lediglich die Schlussfolgerungen und Problemlösungsansätze unterscheiden sich dann zwischen „Linken“ und „Rechten“. Revolutionär oder neu ist da aber gar nichts.
Ekelhaft sind nach der mauen Analyse seine Handlungsanweisungen, die den reaktionären Charakter Zizeks offenbaren. So fordert er die Errichtung von Aufnahmezentren in der Nähe der Krisengebiete, eine Forderung die CSU und AfD sicherlich unterschreiben werden. Und wer könnte am besten organisieren und koordinieren? Natürlich das Militär. Ernsthaft. Der Schwafel-Philosoph fordert den Einsatz des Militärs zur Koordination von hunderttausenden von Flüchtlingen.
Und in bester besorgter Bürger Manier „begründet“ er: „Zu behaupten, der Einsatz des Militärs für diesen Zweck rieche nach Notstand oder Katastrophenfall, ist schlichtweg verlogen: Wenn Zehntausende unorganisiert durch dichtbevölkerte Gebiete wandern, ist das ein Katastrophenfall, und Teile Europas erleben dies derzeit hautnah.“ Eigentlich fehlt nur noch: Danke Merkel.
Zumindest wird durch das Heftchen deutlich warum Zizek zu den wichtigsten Denkern des Bürgertums gilt. Er kratzt nicht im Geringsten am Selbstverständnis. Um Zizek zu lesen, muss man sich nicht einmal kritisch reflektieren. Man kann ganz bei seiner festgezurrten Meinung bleiben. Klar. Der Kapitalismus ist ein Problem. Und irgendwie müsste da auch was geändert werden, aber bis dahin haben wir ja das Militär.
Der Starphilosoph fragt dann auch ohne Scham: „Wer wird aufgenommen und wie viele?“ Und wie in den Reihen der radikalen Rechten fragt er natürlich nicht, was mit denjenigen Flüchtlingen geschehen soll, wenn schon „genügend“ aufgenommen wurden. Dahinter steht immer das rechtsradikale Bild: Das Boot ist voll. Zizek ist kein wichtiger Denker, er ist ein schlimmer Vereinfacher, ein Blender, der sich linke Themen aneignet, um sie konservativ umzudeuten. Fehlen dürfen natürlich auch nicht die tausendfach aufgewärmten Thesen der unterschiedlichen Kulturkreise und des Kampfes der sich daraus vermeintlich ergibt.
Kurz und knapp: Wer progressive Gedanken sucht, sollte einen anderen wichtigen Denker finden. Zizek ist weder progressiv, noch hat er Gedanken – er ist ein konservativer Papagei.
Hardcover
Broschur
96 Seiten
Aus dem Englischen übersetzt von Regina Schneider.
ISBN 9783550081446
Erschienen: 21.12.2015
€ 8,00
Moin!
Das Buch steht bei mir noch ungelesen im Regal. Angezogen vom knallpinken Cover dachte ich nach lesen des Klappentexte wie du, dass es eine knackige Analyse, eben eine Streitschrift sein könnte.
Da es nun schonmal da ist werde ich es auch lesen, allerdings mit einem noch kritischeren Auge als sonst…
Cheerio
Mareike
Moin moin.
Das gute an schlechten Büchern ist ja, dass man trotzdem Gedanken entwickeln kann, die weit über das Potenzial des Buches hinausgehen, die man aber ohne das Buch nicht hätte entwickeln können.
Insofern viel Spaß bei der Lektüre 😉
Ahoj
Sascha