Der ewige Krieg
Joe Haldemans Der ewige Krieg gehört zu den Klassikern der Science Fiction Literatur, weshalb der Roman auch folgerichtig von Heyne in der Serie Meisterwerke der Science Fiction neu verlegt wird. Und da ich mir vorgenommen habe, nach anspruchsvoller Literatur bzw. nach Sachbüchern erst einmal ein Buch zur Unterhaltung zu lesen, habe ich einen neuen SuB mit den wesentlichen Werken der Science Fiction angelegt. Der ewige Krieg ist dabei in doppelter Hinsicht großartige Literatur. Haldeman schrieb die Geschichte Anfang der 70er Jahre und verarbeitet darin seine Kriegserfahrungen in Vietnam. Das Ergebnis ist ein fulminanter Antikriegsroman, der zugleich elementare Phänomene des Weltraumkrieges thematisiert. Science Fiction at its best.
Im Jahr 2297 herrscht weltweite Wehrpflicht, schließlich befindet man sich im interstellaren Krieg. Bereits die Ausbildung der Soldaten ist menschenverachtend und so sterben zahlreiche Wehrpflichtige noch bevor sie jemals in ein Kriegsgebiet gekommen sind. Haldeman entwirft eine Zukunftsvision in der das Militär den bedeutendsten gesellschaftlichen Wert darstellt. Schließlich wird nicht weniger als die Zukunft der Menschheit verteidigt. Da muss man sich schon mal den militärischen Werten unterwerfen. Nach der Ausbildung nimmt der Protagonist William Mandella, aus dessen Sicht wir den ewigen Krieg verfolgen, an der ersten Schlacht gegen den noch unbekannten Feind statt. Doch erst einmal will die Distanz zu den Feinden überwunden werden. Die Soldaten werden auf riesige Raumschiffe verfrachtet und beginnen dann ihre Reise mit nahezu Lichtgeschwindigkeit. Doch das wird noch Probleme aufwerfen.
Die militaristische Dystopie
Der ewige Krieg ist vor allem ein Antikriegsroman, weshalb auch das Leben beim Militär und die einzelnen Kriegshandlungen im Mittelpunkt stehen. Ohne jedoch in Warporn zu verfallen. Haldeman hat einen echten Antikriegsroman geschrieben. Hier mutiert nicht der Soldat zum Helden in der harten Prüfung Krieg. Hier gibt es keine Helden. Die Schilderungen sind hochgradig realistisch, was eine Ausnahme im Genre darstellt. Haldeman nimmt seine Erlebnisse aus dem Vietnamkrieg auf und denkt sie weiter. So sind Drogen beim Militär explizit erlaubt. In Pausen werden statt Zigaretten Joints geraucht, später wird sogar Heroin offiziell angeboten, natürlich mit einem entsprechenden Gegenmittel gegen die Suchtwirkung. Auf Mannschaftsebene, also der Ebene der einfachen Soldaten, herrschen die „Vorzüge der Kameradschaft“. Sexuelle Beziehungen unter den Soldatinnen und Soldaten sind nicht verboten, sondern erlaubt und gewollt. Die Langeweile zwischen den Einsätzen und Angst und Stress vor und nach Einsätzen sollen so kompensiert werden. Sex und Drogen zur Verhaltenskontrolle. Lediglich die Offiziere haben sich dem Zölibat verpflichtet. Wer dies nicht einhält, wird exekutiert. Hier erinnert Haldemans Universum ein wenig an die Space Marines von Warhammer 40k. Streitmächte mit einer militärischen Pseudo-Religion.
Die Soldaten werden einer „posthypnotischen Suggestion“ unterzogen, so dass sie auf jeden Fall an den Kriegshandlungen teilnehmen müssen, selbst wenn ihr Verstand ihnen davon abrät. Haldeman verarbeitet hier wie in vielen weiteren Beispielen die Wirkung von Propaganda und Kriegshetze. Aber auch den Sog und die Eigendynamik von extremer Gewalt. Ist man erst einmal im Krieg, in einer Schlacht, dann bleibt einem auch kaum etwas anderes übrig als zu kämpfen. Wer nicht kämpft, stirbt. Sei es durch den Feind oder den Vorgesetzten, der einem wegen Befehlsverweigerung erschießt.
Bei Haldeman fehlt kein Grauen des Krieges. Eine immer wieder mit dem Mantel des Tabu belegte Opferquelle im Krieg ist das „friendly fire“, also der versehentliche Beschuss der eigenen Soldaten. Im Vietnamkrieg wurde fast jeder fünfte Soldat durch Eigenbeschuss getötet. Haldeman zeigt drastisch auf, was es bedeutet in einer fremden Umgebung gegen einen unbekannten Gegner Krieg führen zu „müssen“. Die Soldaten reagieren panisch und töten und verstümmeln versehentlich ihre eigenen Kameraden. Währenddessen tobt das Massaker am Feind. Haldeman bringt Krieg auf den Punkt: „Denn es war Mord, ein brutales Abschlachten – da half kein Beschönigen.“
Zurück zur Erde und zurück in den Krieg
Nach dem Kampfeinsatz werden die Soldaten zurück zur Erde gebracht, wo alle den Dienst quittieren. Allerdings bedeutete die Reise in fast Lichtgeschwindigkeit, dass subjektiv zwar nur wenige Monate vergangen waren, auf der Erde aber Jahrzehnte vergangen sind. Haldemans ewiger Krieg beruht auf diesem Phänomen der Zeitdilatation. Während die Soldaten in einer einzigen Schlacht waren, befand sich die Erde in einem 30jährigen Krieg. Enstprechend verändert hat sich die Erde. Und hier kommt das ausgezeichnete Worldbuilding von Haldeman in Spiel. Er denkt Entwicklungen seiner Zeit weiter und entwirft eine durchaus plausible Zukunft. Eine Zukunft in der allerdings niemand leben will. Von 9 Milliarden Menschen sind fünf bis sechs Milliarden arbeitslos. Die Überbevölkerung und die Ernährung sind zu den bestimmenden Problemen geworden, weshalb Geld nur noch in Kilokalorien gerechnet wird.
Als Konsequenz melden sich zahlreiche der Soldaten wieder zurück in den Militärdienst. Der Krieg geht weiter. Und das Buch nimmt jetzt erst so richtig Fahrt auf!
Der ewige Krieg ist spannend, teils sarkastisch überspitzt, aber immer ein absolutes Lesevergnügen und dazu noch mit einer wichtigen und uneingeschränkt unterstützenswerten Botschaft. Und hier unterscheidet sich Haldeman konsequent von Robert A. Heinlein. Obwohl Der ewige Krieg durchaus einige Ähnlichkeiten mit Starship Troopers hat. Doch während es bei Heinlein an der Distanzierung zur beschriebenen militaristisch-faschistischen Dystopie fehlt, posititioniert sich Haldeman eindeutig. Wer SciFi mag und Der ewige Krieg noch nicht kennt: Kaufempfehlung!
Der ewige Krieg
Joe Haldeman
Taschenbuch
336 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Ungekürzte Neuübersetzung der vom Autor erw. u. überarb. Fassung. (1. März 2000)
Preis: 8,95 €
ISBN-13: 978-3453164147