Das Amok-Puzzle. Psychologische Erklärungsansätze und Täterprofile
Psychologische Erklärungsansätze und Täterprofile verspricht der Untertitel. Und in der Einleitung folgt: „In diesem Buch aber geht es um mehr: Es soll der Versuch unternommen werden, die am häufigsten gestellte Frage in diesem Zusammenhang zu klären, warum nicht alle Menschen, die eine schwere Kindheit hatten oder sehr viel Ego-Shooter spielen, zu Amokläufern werden. Die Antwort wird nicht so einfach sein wie die Frage selbst, denn es wird im Verlauf des Buches ein verzweigtes Netz von Bedingungen und Umständen entwickelt werden, das darauf hinauslaufen wird zu zeigen, dass die Frage viel zu allgemein gestellt war und nur durch ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren beantwortet werden kann.“
Und genau diese differenzierte Betrachtung, diese wissenschaftliche Perspektive auf Amokläufe erwartet man auch für knapp 40 Euro.
Das Buch, dass sich grob in zwei Bereiche unterteilt, nämlich die theoretischen Überlegungen bis Seite 141 und den weitaus größeren „empirischen“ Teil Seite 143 bis 420, kann dieses Versprechen aber nur bedingt halten und ganz sicher nicht im Äquivalent zu 40 Euro.
Während der theoretische Teil noch überzeugen kann, vor allem mit der distanzierten Perspektive der Wissenschaft, der Analyse und Synthese unterschiedlicher Bedingungen und der klaren Absage an monokausale Begründungszusammenhänge, neige ich dazu den zweiten Teil für eine Farce zu halten. Mir ist vollkommen schleierhaft wie der Tectum Verlag diese Zusammenstellung durchwinken konnte.
Offensichtlich war man sich beim Verlag aber über die seltsame Vorgehensweise bewusst und ließ den Autor noch eine Anmerkung dem „empirischen“ Anhang voranstellen:
„Für die Annahme einer korrekten Verwendung der folgenden Zitate und Quellen eines veröffentlichten Werkes beziehe ich mich auf §51 UrhG, das wie folgt lautet: ‚Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden.‘“ (Hervorhebung im Original).
Paragraph 51 wird im Amok-Puzzle allerdings äußerst weit ausgelegt. Denn alles was im Anhang folgt, ist die kommentarlos zusammengestellte Aneinanderreihung von vornehmlich Onlineartikeln der großen Zeitungen oder gleich Copy Paste aus Wikipedia. Knapp 300 Seiten sind also eine reine Kopierarbeit aus Zeitungs-, Blog- oder Lexikonartikeln. Selbstverständlich war auch das eine reife Rechercheleistung, aber rechtfertigt das 40 Euro? Und was hat das mit eigener wissenschaftlicher Leistung zu tun? Man hätte die Artikel ja auch auf den Kern zusammenfassen können.
Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass durch den erhöhten Preis, sich wesentlich weniger Menschen mit den theoretisch sehr wohl bedenkenswerten Ansätzen auseinandersetzen. Und wenn man dann schon 40 Euro ausgibt, bleibt am Ende der Eindruck man hat mindestens 20 Euro zu viel ausgegeben, da der Großteil des Buches genauso gut selbst in der Wikipedia hätte nachgeschlagen werden können.
Hinzu kommt ein wirklich schlechtes Lektorat mit unzähligen Rechtschreib- und Grammatikfehlern.
Eigentlich würde ich für das Gesamtkonzept null Punkte vergeben wollen, das würde aber dem theoretischen Gehalt natürlich nicht gerecht. Denn unabhängig des desaströsen Gesamtbildes gibt es einige interessante Überlegungen und Hinweise. Dafür gibt es dann auch die zwei Punkte. Einfacher und günstiger ist es sicherlich, sich einfach nur den ersten Teil zu kopieren oder einen entsprechenden wissenschaftlichen Artikel herunterzuladen.
Christoph Paulus
Das Amok-Puzzle
Psychologische Erklärungsansätze und Täterprofile
ISBN 978-3-8288-3795-9
449 Seiten, Paperback
Tectum Verlag 2016
39,95 €