cover extraleben
Unterhaltung:
Constantin Gillies
Preis:
16,95 €

Rezension von:
Bewertung:
3
26. Juni 2017
Letzte Änderung:18. November 2017

Großer Spaß für eingeschränktes Zielpublikum mit hanebüchener Story

Extraleben

Ich habe die Angewohnheit möglichst wenig über ein Buch oder auch einen Film im Vorhinein zu erfahren. Ich bilde mir ein, dass je mehr ich über die Geschichte weiß, desto mehr beraube ich mich der Spannung und der Überraschungen. Deswegen schaue ich so gut wie nie Trailer und lese höchstens den Klappentext, manchmal nicht einmal das. So zum Beispiel bei Extraleben von Constantin Gillies. Nachdem ich Ready Player One und Armada von Ernest Cline gelesen hatte, war ich so richtig schön in der Nostalgiewelle. Zwischendurch hatte ich noch schnell Wargames gelesen und jetzt lese ich beim Zugpendeln Starfighter. Ernest Cline hat die 80er und 90er also mal eben bei mir reloaded. Und Gillies Extraleben wird immer wieder in Beziehung zu Clines Werken gesetzt. Also nicht lange nachlesen, was das eigentlich ist, gleich kaufen.

Dieses Vorgehen kann natürlich auch mal daneben gehen. Und bei Extraleben bin ich ziemlich zwiegespalten. Einerseits hatte ich schon viel Spaß beim Lesen, aber andererseits kann ich das Buch nicht guten Gewissens weiterempfehlen. Jedenfalls nicht uneingeschränkt. Zündeten Ernest Clines Späße nur wirklich für Kinder der 70er Jahre (oder früher natürlich), so ist Extraleben ausschließlich für eben diese zu decodieren. Im Prinzip besteht das gesamte Buch aus Namedropping von Computer- und Arcadespielen sowie allen möglichen anderen relevanten (und irrelevanten) Dingen, die ein Kind oder Jugendlichen (vor allem Jungen) in den 70er, 80er und 90er Jahren interessiert haben. Wer nie in einer Arcadehalle war, wird schlichtweg keinen Spaß an dem Buch haben. Wer nicht mit Computerspielen am C64, Schneider CPC, Amiga oder Atari groß geworden ist, wird keinen Zugang zum Buch finden.

Nicht Fisch nicht Fleisch

Das ist allerdings noch nicht alles. Immerhin, wer all das für sich bejahen kann, der bekommt hier auf jeden Fall einen unterhaltsamen Retroflash. Gillies hat durchaus Humor, auch wenn der teilweise wie bei Comedy üblich, darauf beruht, sich über andere lustig zu machen. Ist man bereit über diese Szenen hinwegzusehen, bietet Extraleben einige gute Lacher in einer sehr kurzweiligen Verpackung. Und jetzt kommt das ganz große Aber oder auch Leider: Es gibt keine Story. Also, irgendwie gibt es schon eine, aber irgendwie auch wieder nicht. Im wesentlichen ist es ein Roadtrip zweier langjähriger Kumpels durch die USA. Nick und Kee kennen sich schon seit Ewigkeiten und teilen ihre nerdige Leidenschaft für Computerspiele, vor allem für alles was Retro ist. Während einer ihrer Daddelsessions entdecken sie in einem Uraltspiel eine „geheime Botschaft“. Da sie jedes Jahr einen Roadtrip durch die USA machen, bietet es sich dieses mal an, der geheimen Botschaft zu folgen.

Der Roadtrip ist dann auch lediglich der Rahmen für das nostalgische Namedropping und Schwelgen in Erinnerungen. Dabei zeigt sich Constantin Gillies als präziser Beobachter mit einem Gespür für die schönen Erinnerungen. Und weil es ein durchaus spaßiges Vergnügen ist, hätte Extraleben bis hierhin auch mehr Punkte verdient. Allerdings gibt es dann eben doch so etwas wie eine Pseudohandlung. Und die ist dermaßen absurd, dass es unmöglich ist, hier eine bessere Bewertung abzugeben. Prinzipiell sind absurde Geschichten vollkommen in Ordnung. Ernest Cline hat ja auch absurde Geschichten geschrieben. Aber da ist dann auch alles fantastisch absurd. Bei Gillies vermengen sich die Ebenen zu sehr. Einerseits die Erinnerungen der Midlife-Protagonisten und andererseits dann diese vollkommen infantile Geschichte. Entweder das eine oder das andere. Wie es gehen kann, kann man in Ready Player One und Armada lesen. Da verbindet sich der infantile Wunsch mit der Phantasmagorie des Autoren. Bei Extraleben hingegen verbindet sich das Lebensgefühl von 40jährigen mit einer Rahmenhandlung aus der Feder eines 15jährigen. Und das funktioniert bei mir so gar nicht.

Und so richtig schlimm wird es dann, wenn dieses ans Lächerliche grenzende Ende, dann auch noch in weiteren Folgeromanen ernsthaft ausgebaut wird. WTF!

Wer einfach einen Retrotrip machen will und dabei Spaß haben möchte, kann getrost zugreifen. Wer dann allerdings auch noch eine packende Geschichte möchte, greift lieber bei Ernest Cline zu.

Mehr Informationen gibt es direkt beim CSW Verlag.

Constantin Gillies
Extraleben
Broschiert
352 Seiten
Verlag: CSW-Verlag
Preis: 16,95 €
ISBN: 978-3981141757

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