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Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung

In der Buddhismus aktuell gab es vor kurzem ein Gespräch mit Arnulf Conradi zu seinem Sachbuch „Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung“. Dieser Artikel war dermaßen schön, verbindet Conradi doch zwei mir mittlerweile sehr wichtige Dinge, Buddhismus und Natur bzw. Vogelbeobachtung, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Da ich mir aber erstmal ein Buchkaufverbot auferlegt hatte, hat mir mein Lieblingsmensch das Buch überraschend geschenkt. Ein wundervolles Präsent, zumal es sich um eine äußerst bibliophile Publikation aus dem Kunstmann Verlag handelt. Aber wie immer geht natürlich Inhalt vor Form und da hat Arnulf Conradi ebenso viel zu bieten, denn sprachlich ist die Lektüre ein Wohlgenuss. Hier hat man es mit einem Liebhaberstück zu tun, da wurde an den Sätzen gefeilt, um etwas Schönes und Bleibendes zu schaffen, womit sich das Buch auch äußerst angenehm aus dem Massenkonsum abhebt. Und so ist es nicht nur ein Sachbuch über Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, sondern zugleich selbst ein meditatives Leseerlebnis. Ein Verweilen bei den Zeilen, im Hier und Jetzt der Wörter und der Realitäten, die diese repräsentieren.

Buddhistisches Birdwatching

Arnulf Conradi verwebt seine persönlichen Erlebnisse, seine Birdwatching-Touren, mit Naturbeobachtungen, kenntnisreichen Erklärungen aus der Biologie oder besser Ornithologie und Zen, der japanischen Variante des Buddhismus.

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Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Vogelbeobachtung, die etwa zwei Drittel des Buches ausmachen dürfte. Insofern ist es eher ein Buch für an der Vogelbeobachtung Interessierte. Denn wer damit nichts anfangen kann, wird mit dem Buch nicht glücklich werden. Wer Vögel mag und sich darüber hinaus für (geistige) Ruhe und Stille und deshalb auch für Achtsamkeit und Buddhismus begeistern kann, gehört zur Zielgruppe von Conradi. Wer vornehmlich etwas über Buddhismus und das japanische Zen lesen möchte, sollte lieber gleich zu Daisetz T. Suzuki oder Shunryu Suzuki greifen, die Conradi des Öfteren zitiert. Für die Birder mit Open Mind oder achtsame Birder sind es hingegen 240 wundervolle Seiten Literatur.

„Wenn man den Albatros sieht, ist man ganz bei dem Albatros und zugleich ganz bei sich. Da gibt es eine schwer zu erklärende Identität zwischen dem Sehenden und dem, was er sieht. Und von diesem Augenblick, diesem kostbaren Jetzt geht eine große Ruhe aus.“

Achtsames Sein

Arnulf Conradi nimmt uns mit an die unterschiedlichsten Orte zur Vogelbeobachtung. An die Seen der Uckermark, an die Nordsee auf die Insel Sylt, in den Berliner Grunewald, in die Berge, die Antarktis, an Flüsse und auf die Insel Helgoland zum Lummensprung. Es gibt keinen Ort, an dem man diesem stillen Hobby nicht nachgehen könnte. Denn „das Vogelbeobachten ist eher eine Lebensform als ein Hobby, man tut es eigentlich immer, man guckt stets nach Vögeln.“ Und gleichzeitig ist man achtsam – im Hier und jetzt verankert. Schauen als meditative Übung. Mein Lieblings-„Training Ground“ oder Birding Patch, der Ort, den man regelmäßig aufsucht, um Vögel zu beobachten, ist unser Garten. Hier kann ich Meditation, ob nun nach Zen oder anderen buddhistischen Richtungen, und Vogelbeobachtung in aller Ruhe üben. Und Übung ist der Kern des Meditierens im Speziellen und des Buddhismus im Allgemeinen. Und es ist ein wesentliches Element, wenn man Vögel beobachten möchte. Denn es gibt so unendlich viel zu lernen. So viele ähnliche aussehende und klingende Arten. Und dann sind die auch noch alle so putzig, dass man sich immer wieder in die achtsame Phase zurückholen muss, um nicht der „cuteness“ zu erliegen.

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Von Stille und Musik

Zen und Vogelbeobachtung sind auch wunderbar beim Spazierengehen oder Wandern zu praktizieren. Oft mit gesteigertem Schwierigkeits- und Konzentrationsgrad, da man im Wald den Verursacher der Rufe oder Lieder häufig nicht sehen kann und versuchen muss, die Vögel an der Stimme zu erkennen. Auch ein Grund, warum Conradi dem Vogelgesang ein ganzes Kapitel widmet.

„Diese Übung – einfach nur zuhören, zuordnen und genießen – ist eine Form der Meditation, denn man konzentriert sich auf das, was man hört, auf Gesänge der Vögel und bleibt ganz im Jetzt. Dadurch bekommt der Spaziergang eine Frische und Gegenwärtigkeit, die nicht nur auf den jungen Morgen zurückzuführen ist. Man verliert sich nicht in Gedanken, lebt ganz und gar im Augenblick und hört zu, was die Künstler der Vogelwelt bieten. Das erfüllt einen, und man kommt erfrischt nach Hause zurück.“

Dabei geht es nicht darum, irgendetwas zu perfektionieren. Es geht nicht darum, sich nur noch Zen und Vogelbeobachtung hinzugeben oder diese als einzige Hobbys zu betreiben. Der Kern von beidem ist die innere Haltung, die Einstellung sich selbst und der Natur gegenüber. Gelassenheit, Ruhe, Stille, Empathie und nicht zuletzt unermessliche Freude können in beiden und in der Verbindung von beiden gefunden werden.

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Wer sich auf diesen Weg begeben möchte, dem sei Arnulf Conradis Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung unbedingt empfohlen.

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei Kunstmann

 

Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung Book Cover Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung
Arnulf Conradi
Sachbuch
Antje Kunstmann
März 2019
Hardcover
240
https://www.kunstmann.de/buch/arnulf__conradi-zen_und_die_kunst_der_vogelbeobachtung-9783956142895/t-0/
20,00 €
978-3-95614-289-5

Ein meditatives Leseerlebnis - unbedingt empfehlenswert