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166 Tage im All

Raumfahrtwochen bei Koreander und weiter geht’s mit Alexander Gersts und Lars Abromeits 166 Tage im All. Mit „Astro Alex“ hat Deutschland auch endlich einen modernen und Social Media kompatiblen Astronauten der neuen Generation. Wobei er jetzt eigentlich schon zu den alten Hasen gehört. 166 Tage im All ist ein Bildband mit Geo-typischen hochqualitativen Großaufnahmen meist von Alexander Gerst selbst aufgenommen. Und da schon der ein oder andere Experte am Sachbuchschreiben gescheitert ist, hat sich Gerst den GEO-Reporter Lars Abromeit als Ergänzung gesucht. Ob es nun an Gersts schriftstellerischen Fähigkeiten lag oder einfach an seinen zeitlichen Rahmenbedingungen ist letztlich irrelevant, denn das Ergebnis zählt.

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Gersts Lieblingsplatz in der ISS, die Cupola von Außen betrachtet | CC BY-NC 2.0 | ESA/NASA

Ist ein Bildband noch zeitgemäß?

Gerst war als Bordingenieur an den ISS-Expeditionen 40 und 41 sowie 56 und 57 beteiligt. Als erster Deutscher und zweiter Westeuropäer übernahm er am 3. Oktober 2018 die Funktion des ISS-Kommandanten. Insgesamt war er über 362 Tage im Weltall. Inhaltlich bezieht sich der Bildband auf seine erste Mission „Blue Dot“ und wirft am Ende lediglich einen kurzen Ausblick auf seine zweite Mission „Horizons“. So sehr Alexander Gerst auch für die Raumfahrt, Astrophysik und das Weltall im Allgemeinen zu begeistern vermag, stellt sich natürlich die Frage, ob man heute überhaupt noch ein Bildband benötigt. Die Bilderarchive von NASA und ESA sind riesig und allgemein zugänglich. Ich kann mir fast alle nur denkbaren Bilder von Planeten und Monden, von der Erde, der ISS, den unterschiedlichen Raumschiffen auf meinem großen Monitor angucken. Zahlreiche Bilder sind in so hoher Auflösung vorhanden, dass ich bis in die kleinsten Details hereinzoomen kann.

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400.000 Fotos hat Alexander Gerst während seines Aufenthalts im Orbit aufgenommen | CC BY-NC 2.0 | ESA/NASA

Damit nicht genug, finden sich auf flickr tausende Bilder der ISS-Missionen, darunter auch einige der im Bildband vorhandenen. Nun könnte man einwenden, dass dort aber die Informationen fehlen, mit denen der Bildband im Text aufwartet. Schon wahr, aber leider sind eben diese Infos doch recht spärlich. Gewiss, wenn man sich noch gar nicht für die Raumfahrt interessiert hat, dann ist der Bildband ein ausgezeichneter Einstieg. Wer sich aber schon ein klein wenig auskennt, wird nichts neues erfahren und auch Gersts persönliche Ansichten sind bereits vielfach in verschiedensten Medien frei zugänglich. Man könnte es also als niedrigschwelligen Einstieg verstehen, wäre da nicht der Preis. 40 Euro sind nicht gerade niedrigschwellig. Und ich kann beim besten Willen auch nicht erkennen, warum man soviel Geld ausgeben sollte. Es sei denn man ist eben ein Nerd. Entweder Büchernerd, oder Raumfahrtnerd oder Fotonerd. Dann lohnt sich der Bildband allemal.

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Der größte Moment für einen Astronauten, der Außenbordeinsatz | CC BY-NC 2.0 | ESA/NASA

Für Fans und Nerds

Am besten ist es man liest den Bildband als Ergänzung oder Vorbereitung zu Samantha Cristoforettis „Die lange Reise – Tagebuch einer Astronautin“. Cristoforettis Buch ist nämlich alles das, was 166 Tage im All nicht ist, durchgehend informativ, spannend und unterhaltsam. Bei Gerst und Abromeit wirken die Texte wie Beiwerk. Aber wenn ich mir ein Buch für 40 Euro kaufe, möchte ich nicht nur Bilder sehen, sondern eben auch wertigen Text bekommen, sonst kann ich nämlich wirklich besser Bilder am Monitor anschauen. Auch wenn es ein Bildband ist (und der zweite Bildband der beiden Autoren ist schon angekündigt) erwarte ich als Leser, dass viel mehr Hintergrund beschrieben wird, als es die Wikipedia bereits macht. Nichtsdestotrotz weiß Gerst zu begeistern und ich halte eben auch gerne ein Buch in den Händen. Dennoch, in ihrem nächsten Band „Horizons“ muss da mehr kommen.

Das Einzige was etwas nervt, ist dieses überbordende Saubermann-Image, dass Alexander Gerst verpasst wird. So ist er eben nicht der Junge von Nebenan, sondern alsbald der Übervater für die neue Generation Astronaut*innen und wissenschaftsbegeisterte Kinder und Jugendliche. Etwas weniger nationaler Volksheld, etwas weniger wehende Deutschlandfahnen und Jubelpatriotismus wäre wirklich angebracht. Zumal Gerst selbst das Internationale an Raumfahrt und Wissenschaft permanent betont.

Experimente

Der etwa 10stündige Arbeitstag besteht vor allem aus wissenschaftlichen Experimenten | CC BY-NC 2.0 | ESA

 

Mehr Informationen inklusive Leseprobe gibt es direkt bei Frederking & Thaler.

 

166 Tage im All Book Cover 166 Tage im All
Alexander Gerst, Lars Abromeit
Sachbuch / Bildband
Frederking & Thaler
23.11.2020
Hardcover mit 156 Abbildungen
208
https://verlagshaus24.de/166-tage-im-all
40,00 €
9783954161980

Schöner Bildband mit Abzügen in der B-Note.